Die Exploration des Selbst, Eine Nicht-Duale Perspektive

Das interdisziplinäre Forschungsinteresse zum Thema „Selbst“ hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. In der Philosophie und in den Kognitions-Wissenschaften haben Themen wie „embodied cognition“ die Frage nach dem Geist-Körper-Problem wieder aufgegriffen und erneuert. Dekonstruktionstheorien der Poststrukturalisten haben metaphysische Konzepte wie das der Subjektivität in Frage gestellt. In Deutschland ist besonders Thomas Metzinger darum bemüht, das so genannte phänomenale Selbst (das gewöhnliche Selbsterleben) neurowissenschaftlich zu begründen, während die experimentelle und die Entwicklungspsychologie kognitive Prozesse und ontogenetische Bedingungen sucht, welche verschiedene Aspekte des Selbsterlebens (self-agency, body-ownership, mental ownership, first-person-perspective) konstituieren. Analog dazu hat insbesondere die Popularität buddhistischer Philosophie dazu beigetragen, die Existenz des Selbst, als eine aus sich selbst bestehenden Entität, zu hinterfragen. Tradierte Selbst-Theorien scheinen damit immer mehr der Auffassung zu weichen, das Selbst im Sinne einer separaten Entität, als mentales Konstrukt zu verstehen. Obgleich diese These allgemeinen dem ,state of the art‘ im Bereich der Selbst-Theorien entspricht, gab es bisher  keine empirische Untersuchung von Individuen, die eine Veränderung ihrer Selbstwahrnehmung in dieser Hinsicht für sich beanspruchen. In einer Studie „Meditation-Induced Changes In Perception“, (Full 2012), gaben buddhistische Mönche als einen Bestandteil umfassenderer Wahrnehmungsveränderung diese Veränderung der Selbstwahrnehmung an. Seit einigen Jahren häufen sich Berichte über die Erfahrung einer Dekonstruktion des gewöhnlichen Selbsterlebens auch von Nicht-Buddhisten. Obwohl diesen Einzelberichten zufolge, eine radikale Verbesserung des psychischen Wohlbefindens mit der veränderten Selbsterfahrung einhergeht, wurden bisher keine systematischen Untersuchungen hierzu durchgeführt.

Um derartige Erfahrungen jedoch einer wissenschaftlichen Erforschung zugänglich zu machen, und in der Erwartung damit einen Zugewinn zu aktuellen Forschungsfragen zu erreichen, wurden von Frau Dr. Giesela Full 2012 Daten für eine qualitative Interview-Studie zum Thema: „Die Dekonstruktion des Selbst“ mit 20 Probanden in den USA erhoben. Die Studie soll insbesondere zum Verständnis der Frage, was „das Selbst“ ist, welche kognitiven und emotionalen Funktionen es konstituieren, welchen Einfluss dies auf das Erleben und Verhalten hat und welche möglichen therapeutischen Implikationen damit verbunden sein könnten, beitragen. Ein weiteres Ziel ist die Überprüfung kultureller (Un-) Abhängigkeit einer nicht-egoischen Wahrnehmung. Die Kusala Foundation fördert diese Studie, die von Frau Dr. Gisela Full an der Berlin School of Mind and Brain (Humboldt-Universität zu Berlin) durchgeführt wird.